Roadtrip Iceland – die Westfjorde – where the magic happens
Wir kamen von Myvatn. Es war eine ganze Tagesfahrt, ja, man kann sagen einmal auf der Ringstrasse über den ganzen Norden der Insel. Die Landschaft, das Wetter ganz verlässlich abwechslungsreich.
Manchmal erinnerte mich die Landschaft an das hochalpine Tirol, die markanten Tafelberge allerdings findet man bei uns nicht.
Nach einer langen, laaaangen Autofahrt die abermals nicht eine Minute langweilig war oder nichts zu bieten hatte erreichten wir die Westfjorde. Man fährt von der Ringstrasse weg noch mal ein ganzes Stück Richtung Norden. Das Wetter hieß uns anfangs trübe willkommen.
Wir fuhren die einzelnen Fjorde aus wie die Finger einer Hand. Die Strasse war mal befestigt, dann wieder gravel road, es ging steil bergauf, steil bergab, rein ins Land, raus aufs Meer. Wer es eilig hat dem dürfte dies wahrscheinlich auf die Nerven gehen, aber wer schauen schauen schauen will, dem ist das sehr willkommen.
Bei ein paar Fjorden wurde begonnen Strassen mittendurch zu bauen. Steine aufgeschüttet, darauf der Asphalt. Macht bei einigen sicher Sinn und ist eine große Zeitersparnis, aber man muss dort ganz besonders aufpassen wegen der Seevögel. Die leben dort, auch bei den Strassen – Gesteinsaufschüttungen und können die rasenden Autos nicht einschätzen. Ein paar Hinweisschilder wurden schon aufgestellt. Unser Navi hat die neue Strasse noch nicht gekannt und so fuhren wir mitten durchs Meer.
Wir haben nicht viele Autos getroffen und je weiter wir in den Fjorden versunken sind desto weniger hatten wir das Gefühl hier noch irgendwem zu begegnen. Eine Tankstelle im Nirgendwo, niemand da, ging trotzdem. Die Landschaft war sehr ursprünglich und bleibt es hoffentlich für alle Zeiten auch.
Obwohl es nur wenige Strassen gibt fragt man sich doch: sind wir richtig gefahren? Was passiert wohl als nächstes? Waren hier schon jemals Menschen? Plötzlich kommt man in den Schnee.
Ein paar Meter weiter dann ein Blick nach links und man ist sich wieder sicher dass hier schon Menschen waren, denn hier wurden sicher die schönsten Dokus der Welt gedreht. Auf dem nächsten Bild befanden wir uns „on top of“ Dynjandi Wasserfall, den wir gleich noch von unten bewundern werden.
Beim Dynjandi Wasserfall trifft man dann tatsächlich wieder ein paar Menschen. Und nicht nur das – als wir dort ankamen hat uns Island wieder belohnt. Wie aus dem Märchen erschien ein doppelter Regenbogen beim Wasserfall – wenn ich nicht selbst dort gewesen wäre würde ich es ja nicht glauben. Zuviel der Romantik, aber es war wirklich so.
Von einer weiter entfernten Perspektive (siehe Titelbild) befand sich der Wasserfall sogar unter dem Regenbogen. Die Männer schlugen ihr Zelt auf und wir fuhren zu meinem AirBnb, von welchem aus ich diesen Ausblick hatte:
Das AirBnb war voll mit Menschen von allen Nationen. Welch krasser Gegensatz zu dieser Landschaft! Ich mag ja Ansammlungen meistens nicht so gern, aber nach einem Tag in der Einsamkeit hab ich es als (ent-)spannend empfunden mich mit allen zu unterhalten. Sie alle würden am nächsten Tag weiterfahren, nur wir wollten bleiben. Uns wurde gesagt es würde auch niemand nachkommen für den Tag, das hieße wir haben den ganzen Fjord für uns alleine.
Am Morgen sind wir dann gleich zu der Stelle gewandert an der am Vormittag immer die Robben sonnenbaden. Da lagen sie, dick und fett. Wir schlichen uns heran wie die Indianer. Sie bemerkten uns und hoben ihre Köpfe, ließen diese dann aber wieder faul fallen und sonnten weiter. Die dachten sich, ach die… lästige Touristen, bestimmt Veganer, die tun uns nichts. Na so wars auch! Ich habe leider kein Teleobjektiv, so konnte ich kein wirklich nahes Bild machen. Zu sehr bedrängen wollte ich die dicken Freunde dann auch nicht. Sie waren so drollig. Haben sich unterhalten, ja ich würde sagen sie haben sich durchgehend gestritten. Manche haben auch versucht andere runterzukugeln. Die ganz Faulen hoben manchmal eine Flosse in die Höhe, manchmal auch die Schwanzflosse. Dann drehten sie sich genüßlich von der einen Seite auf die andere und liessen sich die Sonne auf den Bauch scheinen.
Wir sind dann den Fjord entlang bis zur Spitze gewandert. Immer begleitet von den Tafelbergen, dem tiefblauen Meer und einer fantastischen Landschaft, Flora und Fauna.
An der Spitze des Fjords befand sich ein Leuchtturm, orange leuchtend, frisch gestrichen. Wir konnten bis zur nächsten „Stadt“ in einem anderen Fjord sehen und leider auch mehrere Fischfangschiffe. Am Rückweg (es war mittlerweile schon später Nachmittag) kamen wir an einer anderen Stelle wieder an Robben vorbei und ganze Kolonien von Eiderenten beobachteten uns. Sie waren nicht so gelassen wie die Robben, bereits unsere weit entfernte Anwesenheit scheuchte sie auf. In Island ist die Jagd auf Eiderenten im Gegensatz zu anderen skandinavischen Ländern verboten, ihre Daunen werden aber genutzt. Dazu verwendet man die ausgepolsterten Nester nachdem die Jungtiere diese verlassen haben, was eine artgerechtere Nutzung darstellt als die Gewinnung der handelsüblichen Gänsedaune, die bei lebendigem Leib gerupft werden.
In anderen Bereichen ist Island nicht zimperlich was die (Wild-)Tiernutzung betrifft. Klar bin ich wütend, aber ich habe versucht auch ihre Sichtweise zu verstehen. Gerade hier, fernab jeglicher Zivilisation und mit strengen Wintern blieb den Isländern wohl oft nichts anderes übrig. Trotzdem ist es für mich (die um jedes Individuum weint und sich diesbezüglich nicht gerne als sensibel oder verrückt beschimpfen lässt) schwierig zu ertragen. Genauso schwierig war es für den AirBnb Host zu begreifen wie wir ohne alles Tierische überleben. Er hat uns täglich zehnmal gefragt ob wir denn noch am Leben sind. Er war ganz ratlos was wir denn frühstücken würden und aus dem Häuschen, da ihm die Tomaten ausgegangen sind. Wir brauchen bitte schön auch keine Tomaten im Nirgendwo im Norden, wir lebten gut von unserem mitgebrachten Schüttelbrot und den Nudeln.
Wale, Fische, Füchse, Robben, Vögel, Isländer kennen auch kein Erbarmen. Zarte Seelchen wie ich es bin werden wie auch sonst überall auf der Welt belächelt. Polarfüchse werden erschossen weil sie angeblich zu viele sind und andere Tiere gefährden. Es gibt von Island engagierte Jäger die das Land durchforsten und Polarfüchse schon als Babies in ihren Höhlen ermorden. Ein Treffen solcher Jäger habe ich miterleben müssen. Ich kann nur sagen, es war nicht einfach. Auch die ausgestopften Robbenbabies und andere zur Schau gestellten Wildtiere waren ein Horrorszenario. Ich habe mir so gewünscht einen Polarfuchs zu sehen, hab ich dann auch, aber nicht so wie ich es mir vorgestellt habe. Diese Geschichte ist es wert einmal eigens erzählt zu werden.
Dass es tatsächlich Menschen gibt die eine Polarfuchshöhle finden und dann auf die Familie schießen, das hat mich unter anderem zum Weinen gebracht. Das geht in meinen Kopf nicht rein. Das ist bestialisch. Das ist ein Sich – Erheben über das Leben. Das ist genauso wie ein auslaufender Öltanker eine schwere Verletzung an unserem Planeten, der Mutter Natur. Das tut weh, sehr!
Abends sind wir nochmal zum Dynjandi Wasserfall gefahren, kein Regenbogen aber wunderschön einfallendes Abendlicht.
Dynjandi ist eigentlich nur der oberste von vielen Wasserfällen, unter ihm sind viele kleine hübsche mit kleinen Regenbögen.
Oben angekommen sieht man ihn in seiner vollen Pracht. Er ist ein weit verzweigter Wasserfall, der über die typische Tafelberg – Schichtung herunter fließt.
Durch die Feuchtigkeit wächst und gedeiht überall das Moos.
Als wir zurück kamen ging die Sonne unter, es war aber schon 23 Uhr oder noch später. Die berühmte Mitternachtssonne, welche einen so lange wachbleiben lässt. Man braucht sie aber auch in Island, jede Minute.
Am Tag darauf packten wir unsere Sachen und mussten leider schon wieder abreisen. Um Mitternacht ging unser Flug zurück nach Hause. So morgens allein in den Westfjorden > unvorstellbar. Schon überhaupt wieder in ein Dorf zu kommen, in eine Stadt, auf einen Flughafen, Verkehr, Menschen, hm, muss das sein? Der Plan war schnurstracks nach Reykjavik zu fahren. Der AirBnb Host schilderte uns aber bildhaft warum es sich lohnen würde die gesamten Westfjorde (also weiter nach Norden) auszufahren. Das würde sich schon ausgehen. Dort gäbe es auch einen sehenswerten Tunnel.
Ein Blick aus dem Fenster und das Meer war ruhig. Seelenruhig, es gab keine Welle. Beeindruckt fragte ich wieviele Tage im Jahr hier genau so wären? Sommer hätten sie sowieso nur 20 Tage und so ruhig ist noch seltener. Im Winter sind sie von Oktober bis Mai komplett von der Außenwelt abgeschnitten, Lieferungen oder die Möglichkeit woanders hinzukommen gäbe es nur per Seeweg, wenn der Postbote einmal im Monat vorbeikommt.
Dieser Tag: Was für ein Geschenk! Und welch Wehmut jetzt abreisen zu müssen.
Auf dem Weg nach Ísafjörður wurde es wieder abenteuerlich und der besagte Tunnel war EINSPURIG. Mal eben so alle paar hundert Meter eine Ausbuchtung, aber Vorfahrt hätten aus Prinzip immer die Autos Richtung Ísafjörður. Daran halten sich einfach alle. Blöd wenn man aus der anderen Richtung kommt und in Eile ist und zufällig Rush Hour herrscht. Aber dem nicht genug, mitten im Tunnel gab es auch noch eine beschilderte Abzweigung in ein anderes kleines Westfjordedorf. Sensationell.
Aus dem Tunnel heraus > willkommen in Ísafjörður, sozusagen dem Headquarter der isländischen Westfjorde.
Die Fahrt führte uns weiter durch viele Fjorde, die Finger einer Hand, wir sahen auf Berge hinauf und aufs Meer hinunter.
In Súðavík kamen wir wieder an Robben vorbei.
Auch einen Gletscher gibt es in den Westfjorden – den Drangajökull – den man von gegenüber ganz gut sieht.
Plötzlich rechts ein wunderschöner Miniwasserfall.
Da war eine ganze Galerie an Wasserfällen, ich habe gerade noch den letzten erwischt. Mal eben so neben der Strasse.
Nach dem letzten Fjord drehte sich das Auto dann wieder ganz Richtung Süden und ab da ging es dann unweigerlich nach Hause. Noch einmal eine letzte gravel road, weil es so schön ist:
Wir haben es dann noch tatsächlich zeitlich geschafft beim Hraunfossar Halt zu machen. Das Besondere an ihm ist dass er erstens ganz langgezogen ist bzw. aus vielen kleinen Wasserfällen besteht und zweitens scheinbar aus dem „Nichts“ kommt bzw. direkt aus dem Basaltgestein. Ein Seitenarm des Flusses Hvitá ist in der porösen Lava versickert und fließt unterirdisch auf einer wasserundurchlässigen Basaltschicht weiter und kommt beim Hraunfossar in den kleinen Wasserfällen wieder zum Vorschein.
Zum Ende unserer Reise möchte ich noch etwas Trauriges erwähnen. Wir hatten zwar das große Glück während der gesamten Reise kein Tier zu Schaden zu bringen, aber allein durch unsere Autofahrt haben wir viele viele Insekten kaputt gefahren. Auch denke ich drüber nach dass ich immer FÜR die Natur schreibe und dann aber trotzdem ins Flugzeug steige und mehrere Tausend Kilometer über eine Insel fahre, die eigentlich keinen Menschen braucht oder haben will. Da habe ich schon ein schlechtes Gewissen. Um das Leben der Insekten tut es mir sehr leid, was kann eine kleine Fliege oder Motte dafür dass wir mit dem Auto daherkommen? Wir haben ihnen das Leben genommen. Ich weiß keine Alternative, auch bei uns im Sommer passiert das, ich weiß einfach nicht wie ich das umgehen kann. Es tut mir leid. Und nein ich bin keine Verrückte, ich meine das ernst.
Der Roadtrip hat mich ganz schön müde gemacht. Island war aber nicht müde uns nochmals zu überraschen. Noch beim Hraunfossar erschien hinter uns wieder ein Regenbogen der uns fast bis nach Reykjavik begleitete. So ganz als ob Island sagen würde: Kommt ihr wieder? Immer wenn wir uns umdrehten war er da. Der ist einfach mitgefahren.
Neulich habe ich eine Dokumentation gesehen die erzählte wie schnell sich Island verändert. Immer mehr Firmen entdecken (leider) das Potential, vor allem auch in den Westfjorden. Einerseits schafft dies Arbeitsplätze, andererseits zerstört es die Natur.
Daher ist es mir wichtig zu sagen:
Ich habe meine Beiträge „Roadtrip Iceland“ im Jahre 2016 geschrieben und auch die Fotos zeigen Island im Jahr 2016.
Island, danke. Du bist so ehrlich. Du sagst einem direkt ins Gesicht: So ist das und nicht anders. Du bist launisch und manchmal auch erbarmungslos. Ich habe mich in dir mehrmals wieder erkannt. Es macht mir gleichzeitig Angst aber es beruhigt mich auch ungemein dass du uns lehrst, dass wir am Ende nicht stärker sind als die Natur und aufhören sollten gierig zu sein. Danke für deine so unterschiedlichen Paradiese und danke auch, dass uns während der ganzen Reise nichts passiert ist. Ich hoffe ich konnte durch meine Beiträge über dich, Island, meine Gefühle an die LeserInnen weiter – und deine Schönheit wiedergeben.
Und ja, wir kommen wieder <3