Meine Begegnung mit den sanften Riesen der Meere – Wale vor Husavik, Island
Dieser Tag in Husavik geht in die Geschichte meines Herzens ein. An wenige Tage im Leben erinnert man sich, an denen einem direkt von der Seele die Tränen in die Augen schießen und man gar nicht so genau beantworten kann, warum – die Beobachtung der Wale vor Islands Küste war einer davon.
Von Myvatn war es nicht weit nach Husavik. Ein kleines Dorf mit großem Hafen, in dem viele Schiffe liegen. Walbeobachtungs – sowie Walfängerschiffe. Im Vorfeld hab ich mir viele Gedanken gemacht, ob oder ob nicht. Ob diese Touren reine Touristenfängereien sind, ob ich damit sogar etwaigen Stress der Wale unterstütze. Wie sehr dabei die Wale geachtet werden und wie nahe die Schiffe heranfahren. Es gibt verschiedene Anbieter. Wir haben uns nach kurzen Gesprächen für die carbon – neutral Tour entschieden. Ein großes piratenähnliches Schiff, auf dem sich unzählige Menschen verteilten. Man musste in einen dicken, warmen Anzug schlüpfen. Die Tourleiterin erklärte dass sie alle Befehle in den nächsten Stunden nur in Uhrzeiten geben würde. Wenn sie also drei Uhr schreit, befände sich ein Wal rechts auf drei Uhr. Ich hatte ein bisschen Sorge wegen Seekrankheit. Meiner eigenen und nicht minder derer anderer. Das Schiff war nämlich so voll, dass ich nicht so einfach hätte flüchten können. Es hat geschaukelt, jaaa, und wie! Krampfhaft versuchte ich mich zu erinnern, wie war das jetzt, soll man sich am Bug oder am Heck des Schiffes aufhalten? Ich weiß nur noch: den Horizont fixieren. Gut, ich fixierte den Horizont. Dann: Minkwale auf acht Uhr! Zack! Alle, inklusive mir, auf die linke Seite, das Schiff hat sich mit geneigt und jegliche Seekrankheit war ab dem Zeitpunkt egal.
Die Minkwale waren schon eine Sensation und ich war da schon vollkommen zufrieden. Wir sind weiter, immer weiter hinausgefahren, begleitet von Möwen, Seeschwalben und Papageientauchern.
Draußen wurde das Schiff dann abgestellt. Wir schaukelten in der Gegend rum, alle waren leise, gespannt, keinem war übel, die Kameras waren bereit, man konnte die Luft schneiden. Hier war ein bekanntes Gebiet in dem Buckelwale zum Atem auftauchen. Und tatsächlich, man hörte das berühmte Fontänengeräusch, die Tourleiterin brüllte eine Uhrzeit und man sah den schwarzen Rücken eines Buckelwals aus dem Wasser auftauchen, die Finne, kurz darauf die Flucke.
Es dauert nur Sekunden. Ein 15 Meter langer Buckelwal, von der Wasseroberfläche kaum zu erahnen! Alle machten erfreute erstaunte Geräusche, die Kameras klickten. Zwischen meinen drei Kameras zitterte ich vor Aufregung und Tränen füllten meine Augen. Mein Sohn fragte mich, was los sei. „Ich kanns dir nicht sagen. Ich finde es so wunderschön, diese Tiere in Freiheit zu sehen. So nah bei ihnen zu sein, es berührt mich.“
Als ich 15 Jahre alt war, besuchte ich Bekannte in Amerika. Sie dachten, sie tun mir etwas Gutes und wollten mir Seaworld zeigen. Ich erinnere mich noch sehr gut wie ich in der tosenden Menge saß. Die Delphine sprangen durch Reifen, Orkas wurden von ihren Trainern geritten. Die Zuschauer sprangen auf vor Begeisterung, lachten und ich … weinte. Aus einem ganz anderen Grund als in Island. Damals war mir nicht klar was mit mir los ist, ich hatte Schuldgefühle weil ich so undankbar war. Es zerriss mich von innen. Ich stand nach der Vorführung noch lange am Becken und starrte hinein. Ging zu den Aquarien der eingesperrten Meeresbewohner. Das war so schlimm für mich, ich konnte sie nicht befreien. Immer muss ich irgendwie meine Hand hinhalten und etwas berühren was mich mit ihnen verbindet. Damals schon wollte ich ihnen sagen, dass es mir sehr leid tut und ich ihnen helfen möchte.
20 Jahre später in Island durfte ich die sanften Riesen in Freiheit sehen. Es hat mich so vielschichtig berührt. Es gab mir Zuversicht dass es die wilde Natur noch gibt, dass sie in Ruhe gelassen wird. Dass ich unter Menschen bin die ähnlich fühlen und dies erhalten möchten. Dass die Tiere frei sind. Dass ich das erleben darf. Dass ich es immer noch so stark fühlen kann. Dass in dem Moment die Freiheit soviel mächtiger war als jegliche Ausbeutung oder Gewalt.
Neben uns fuhren ein paar Speedboote die bei jedem Auftauchen so nah zum Wal hinfuhren, dass ich versucht war „Hey“ zu rufen. Diese Unternehmer kassierten natürlich mächtig mehr ab, waren schneller am offenen Meer und versprachen den Zuschauern quasi das Fast – Berühren der Fluke. Das ist das, was ich niemals unterstützen wollte. Man kann die Wale auch sehr gut von weiter weg sehen und hat dieses unglaubliche Erlebnis rein durch ihre Anwesenheit. Diese kleinen Boote haben uns Zuschauer schon gestört, wie erst müssen sie den Wal stören.
Mir kamen auch andere Dinge wieder in den Sinn. Mikroplastik. Wieviel davon rein durch Kleidung/Kosmetik in den Ozean geschwemmt wird – hier beschrieben. Plastik allgemein. Wer kennt nicht die Bilder von Fischen, Schildkröten, Vögeln, die Plastik um ihren Körper gewickelt oder in ihren Mägen haben? Es ist traurige Realität. Durch kleine Unachtsam – und Bequemlichkeiten entstehen große Schäden – bei denen, die es eigentlich am wenigsten treffen sollte. Überfischung und die dadurch schnell voranschreitende Zerstörung. Man muss nicht jedem Individuum hinterher trauern (so wie ich das mache) um rein objektiv zu verstehen, dass es nicht mehr lange so weiter gehen darf.
Beifang. Laut WWF fallen pro Jahr 300.000 Wale und Delfine, 300.000 Seevögel, Millionen Haie, 650.000 Robben und 250.000 Schildkröten der Fischerei zum Opfer. Das heisst, sie werden für den menschlichen Meeresfrüchte -, Fisch -, Sushi und Shrimps – Genuss mitgefangen und weggeworfen. Weggeworfen! Einfach so. Leben ihr Leben, sind Teil eines wichtigen Ökosystems, werden gefangen, sterben und werden weggeworfen. Ist das egal? Ist das wirklich egal?? Rechtfertigt Geld im Jetzt oder kurz: Gier alles?
Zurück zu den Buckelwalen. Wir haben ca. sechs der Riesen sehen dürfen. Nach drei hab ich aufgehört zu filmen und zu fotografieren. Ich wollte es erleben, einfach nur schauen, fühlen, was gerade passiert. Ich fühlte mich als wollte ich verheult wir ich war auf den steil herausragenden Bug des Schiffes steigen und rufen: „Wie wundervoll die freie Natur ist! Niemand hat das Recht sie zu zerstören, die Meere gehören keinem Land, die Tiere gehören keinem Menschen!“ aber dafür war ich dann doch nicht mutig genug. Ich denke, dass Begegnungen mit Wildtieren in der freien Wildbahn in dem ein oder anderen auch ohne große Worte etwas auslösen und dass die zahlreichen Buchungen solcher vorsichtigen Touren auch eine Botschaft an das Land sind.
Ein Land, welches leider immer noch den Walfang zulässt. Ja Island (Regierung), dies ist ein Punkt, der mich wirklich wütend macht. Es gibt in den Häfen Reykjaviks Freiwillige, die den Touristen das Versprechen abnehmen während ihres Aufenthaltes kein Walfleisch zu konsumieren. Denn auch für „dein kleines Bisschen, das du nur probieren willst“ musste ein 15 Meter großer Wal geschlachtet werden. Es ist unnötig. Dass Island in seiner Geschichte oftmals keine andere Wahl hatte als vom Meer zu leben leuchtet mir ein, aber wir haben 2016. Teilweise haben sich die Dinge gedreht. Rücksichtslosigkeit fordert seinen Tribut. Es ist an der Zeit, Bedrohtes zu schützen und zu Alternativen zu greifen statt weiter gierig auszubeuten. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, Wissen und Infrastruktur wie damals Grausamkeiten zu umgehen und darauf zu verzichten. Das Geld kommt auch von Menschen, die Walfang anwidert. Die Lobby derer, die den Wert einer intakten Natur zu schätzen wissen und dafür zahlen ist groß, Island steht dafür, der Walfang widerspricht meinem ganzen Bild von Island.
Ich mag die Insel weil sie wild ist, sie lässt sich nicht zähmen, sie ist ehrlich, an vielen Orten ist man Mutter Natur näher als irgendwo anders auf der Welt. Erbarmungslos zeigt uns Island, dass wir am Ende die Verlierer sind, gerade deshalb erscheint sie für viele so wunderschön. Und dann der Walfang. Das vor – Augen – führen eines Menschenbildes der sich am Ende selbst zugrunde richtet, noch vor dem riesigen alles-zerstörenden Vulkanausbruchs Islands. Die Unehrlichkeit. Die Gier. Das brutale Eingreifen. Dieses scheinbare Machtgefühl und die Gewaltausübung gegen das Wunderbarste, was wir haben. Hätte die Insel eine Stimme, würde sie den Walfang verbieten. Und es wundert mich, dass die Elfen und Trolle zu dieser Art der Zerstörung noch nie etwas gesagt haben. Denn was hier passiert, ist mindestens genauso schlimm wie die industriellen Zerstörungen an Land.
Hervorheben möchte ich, dass Island hier nicht schlimmer ist als viele anderen Länder dieser Erde. Auch bei uns, im heiligen Land Tirol gibt es Personen die sich hinter Büschen verstecken, aus dem Hinterhalt ein Wildtier töten und sich dann männlich fühlen. Es gibt sogar extra Züchtung bestimmter Tierarten nur zu diesem einen Zweck. Und es gibt bei uns Personen, die Wildtiere in ein Gehege einsperren um darin eine Treibjagd zu veranstalten. Also eine Jagd, bei der die Tiere keine Chance haben. Denn nicht nur dass sie keine Waffe haben, sie haben auch keine Möglichkeit zu entkommen. Nur des Tötens Willen. Aus reiner Mordeslust. Aus kranker, kranker Mordeslust.
Ich bin mir zu hundert Prozent sicher: Hätten sie auf unserer Tour einen Wal getötet, hätte keiner der Passagiere auch nur im Geringsten jemals wieder daran gedacht, Walfleisch zu konsumieren. Das ist für mich der richtige Weg Menschen zu sensibilisieren. Deswegen schreibe ich diesen Blog. Wenn Menschen etwas fühlen können, schützen sie es auch. Ich würde mir so sehr wünschen, dass dies für alle leidensfähigen Wesen dieser Welt irgendwann Realität wird, Nutztiere als Lebewesen anerkannt werden, Kindern von klein auf Aufrichtigkeit beigebracht wird. Die Wahrheit hinter dem was jeder einzelne konsumiert, was man wirklich damit in Auftrag gibt, wer was dafür geben musste und welche Folgen das im Gesamten hat. Information und dann eine Entscheidung. Kein Totschweigen, kein „das war immer schon so“, keine irreführende Werbung, keine Lügen und kein Absprechen von Gefühlen. Auch den Profitgeiern großer Firmen sollte eine Woche Natururlaub in dem Gebiet ermöglich werden, welches sie zerstören wollen. Ein Kennenlernen. (M)ein Wunschdenken.
Wieder an Land haben wir das Walmuseum besucht. Man konnte darin ein riesiges angeschwemmtes Blauwalskelett bewundern. Ich war ungefähr so groß wie eine kleine Rippe. Es gab Filme, anschauliche Erklärungen der verschiedenen Walarten und deren Vorkommen, eine Abteilung über Walfang (die ich gemieden habe). Eine wichtige Einrichtung. Interessante Informationen, die neu sind und welche die Bedeutsamkeit der sanften Riesen hervorheben.
Ein künstlich hergestelltes Vogelpaar hat mich sehr traurig gemacht. Im Grunde hat es meine Gedanken vom Meer zusammengefasst.
Bye bye Bucht von Husavik mit all deinen wundervollen Meeresbewohnern!
Im nächsten Beitrag besuchen wir die Westfjorde Islands.