Eine Linde in der Tundra
Ich sehe dich
als Linde.
Ich sehe dich.
Eine Linde ist ein sehr mütterlicher Baum.
Du blühst und beherbergst viele kleine Tiere. Du umgibst sie.
Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Die Luft ist rein, um dich weiches Moos und Gras.
Weit, weit um dich ist nichts als Natur. Unberührte, fröhliche Natur. Tiere kommen zur Linde, um Ruhe zu suchen.
Weit außerhalb dann eine zarte Wand, fast wie eine Seifenblase. Sie umgibt dich ganz und spiegelt nach außen.
Es gibt einige, die die Seifenblase anstechen und zu dir möchten, aber du spiegelst nach außen.
Es kostet dich Kraft und manch negative Emotionen erreichen dich dann doch.
Aber du hast einen Wasserfall.
Mit ihm erfasst dich all seine Naturgewalt und zieht nach unten, was dich nach unten ziehen wollte.
So bleibst du leicht und bist frei.
Ich sehe mich.
Nein, eigentlich spüre ich mich.
Ich bin eine kleine Pflanze in der Tundra. Es ist eiskalt, viel zu kalt zum Überleben.
Es weht ständig erbarmungsloser Wind. Oft peitscht auch Sand gegen mich.
Ich versuche zu blühen, habe aber zu wenig Sonne. Auch das Wasser fehlt mir.
Deshalb bin ich nur ganz innen grün. Außen vertrocknet, brüchig.
Einmal kam ein Mensch vorbei und ist auf mich getreten. Da ich schon so brüchig war, bin ich in tausend Teile zerbrochen.
Doch innen bin ich grün. Das kleine, junge, freudige, immer wieder wachsenwollende, lebendige Grün.
Ich weiß nicht was aus mir wird wenn ich einmal genug Sonne und Wasser bekomme.
Ich weiß, dass ich nicht aufgebe. Ich möchte erleben, was ich eigentlich bin.