Morgen ist Weihnachten. Das Fest der Liebe. Diese Zeilen widme ich jenen, die nicht nur morgen sondern das ganze Jahr in Dunkelheit verbringen müssen, eng eingesperrt, ungesehen bis zu ihrem grausamen Lebensende. Ich sehe euch. Eine Streitschrift und ein Kondolenzschreiben an jene, die nicht eine Sekunde ihres Lebens Liebe erfahren dürfen, ja, nicht mal einen Strahl Sonnenlicht.
„Die Neigung zur Aktivität und die Abneigung gegen jede Haltung des passiven Hinnehmens.“
definiert Karl Popper den Begriff des Aktivismus. Heute möchte ich versuchen meine emotionalen Gedankengänge und Ausbrüche der Vergangenheit geordnet zusammenzufassen und meine LeserInnen anzutippen, ob eventuell auch ihn Ihnen ein kleiner Funke glimmt.
Dieser Tag in Husavik geht in die Geschichte meines Herzens ein. An wenige Tage im Leben erinnert man sich, an denen einem direkt von der Seele die Tränen in die Augen schießen und man gar nicht so genau beantworten kann, warum – die Beobachtung der Wale vor Islands Küste war einer davon.
Mittlerweile sind wir im Nordosten von Island angekommen, dort blieben wir zwei Nächte (eigentlich auch zu wenig). Wir besuchen die Wasserfälle Selfoss und Dettifoss, das Solfatarenfeld von Hevrir, den Kratersee Viti im Kraflagebiet, fahren mehrmals über den Pass Námaskarð. Das Gebiet um den Myvatn See beeindruckt uns mit seiner Lieblichkeit, die Nature Baths wärmen Körper und Geist. Bei der Abreise besuchen wir den königlichen Godafoss.
Die Spinne hat eine Stunde an ihrem Netz gearbeitet. Sorgfältig hat sie weiche Fäden an bereits stabilere geklebt. Jetzt hat sie sich zur Ruhe gesetzt und wartet.
Eine kleine fröhliche Fliege ist unterwegs. Sie freut sich an den Blumen, dem Morgentau und erblickt das neue Netz. Sie ist fasziniert. In der Sonne kann man sehen wie sich die weichen Fäden langsam erhärten und stabil werden. „Ach, mir passiert das nicht“ denkt die Fliege und setzt ihre Füßchen auf das Netz.
Während die meisten Touristen auf der Ringstrasse wieder umdrehen und zurück nach Reykjavik fahren, wird Island im Osten einsamer, wilder, herrschaftlicher. Heute bestaunen wir den schroffen Wikingerstrand Stokksnes, fahren entlang der Ostfjorde, über eine Hochebene zum von Wäldern umgebenen See Lagarfljót nahe Egilsstadir, wo wir zwar nicht das Ungeheuer, aber ein traumhaftes Air BnB mit neuen felligen Freunden fanden.
Gedanken übers schön sein, bewerten, klein machen, groß werden.
Eine Woche nur, in der genug passiert um nicht mehr wie bisher weiter zu machen. Wenn die eigene Welt erschüttert wird und man sich kaum mehr festhalten kann, werden die Hände die einem zur Hilfe gereicht werden weniger und die wenigen aber standfester. In diesen Sekunden sieht man auch die Personen die bei einem möglichen Absturz nur zusehen und wie stark man selbst darum kämpft, nicht abzurutschen.
Heute sprechen wohl eher die Farben und Bilder für sich: Blau in allen Variationen. Wir besuchen die Gletscherlagune Jökulsárlón und fahren mit dem Zodiac Boot nah zum Breiðamerkurjökullgletscher. Vorbei an bizarren Eisskulpturen, die selbst (oder gerade deswegen!) bei schlechtem Wetter leuchten und an Vergänglichkeit erinnern. Eine weitere Liebeserklärung an Island.
Auf so vielen Bildern schon gesehen und doch ein ganz neues, unerwartetes Erlebnis: Island’s Papageientaucher aus der Nähe beobachten und endlich Hineinlegen ins Moos – Lavafeld Eldhraun. Weiter über düstere Seelenlandschaften zu den Gletschern, die mich in ihrer Vergänglichkeit erden.
Leider – muss ich um meine Arbeit zu erreichen mit dem Auto fahren. Leider deshalb, weil es sich für mich (wenn man sich bewusst Auszeiten davon nimmt) als etwas sehr Gewaltsames anfühlt. Wie meine ich das?