An Sophie Scholl

„Man muss einen harten Verstand und ein zartes Herz haben“

Sophie Scholl war eine junge Widerstandskämpferin in der Zeit des und gegen den Nationalsozialismus. Sie wurde dafür mit 21 Jahren hingerichtet. 

Im Jahre 2018 treffe ich auf ihre Geschichte. Erst jetzt. Und sofort fühle ich mich mit ihr verbunden, als wäre sie meine Freundin, so als würden wir uns ohne zu sprechen verstehen. Ich bewundere sie. Für ihren Mut, ihren Lebensmut. Sie wusste ihr Engagement könnte sie ihr Leben kosten. Und ist trotzdem aufgestanden.

Aufgestanden gegen das Unrecht. Das wahrscheinlich viele gefühlt – und zu viele hingenommen haben. Aus Angst, aus Ignoranz, solange einem selber nichts passiert, ist alles gut. Sophie und ihr Bruder Hans haben sich getraut die herrschenden Gewalten in Frage zu stellen und versucht, die Bevölkerung zu informieren: hier ist etwas nicht in Ordnung, hier passiert Machtmissbrauch, hier geschehen unnötige Schlachten, ja, hier werden Menschen abgeschlachtet, zu Hunderttausenden! Sie haben mit Flugblättern versucht Menschen die Wahrheit mitzuteilen und aufgerufen, Widerstand zu üben. Aufgrund eines Verräters an ihrer Universität wurden sie dann ausgeliefert und sehr schnell beseitigt. Beseitigt von Menschen, die kleinlaut oder großmäulig mitgemacht haben. Zu großen Teilen stolz ihrem „Vaterland“ zu dienen, einem Führer, einem, der massive Gewalt und Unterdrückung ausübt. Mit unzählbaren Todesfolgen.

Laute Stimmen im Ohr, Gewalt, schwarz weiße Bilder, Sophie hätte auch sagen können sie wusste nicht was sie tat, sie würde sich fortan „zusammenreissen“. Sie hat aber gesagt sie bereue es nicht und würde es genauso wieder machen. Unrecht bleibt Unrecht und wird nicht zu Recht wenn ich mich aus Angst dem Unrecht anpasse. Ihr Tod würde viele aufrütteln, sagte sie. Der schlussendlich auch nur passieren musste um die grauenhafte Fratze des Unrechts aufrecht zu erhalten und niemals zu rechtfertigen ist.

Für mich herrscht immer noch Krieg. Krieg zwischen Menschen, Krieg zwischen Lebewesen. Das, was um uns passiert ist nicht nur nicht in Ordnung, es ist vielmehr ein Gewalt – Verbrechen. Immer noch sind da die, die sagen: „Ich habe das nicht gewusst.“ Immer noch sind da die, die schreien: „Raus mit euch, weg mit euch, wir sind mehr wert!“ Das ist Alltag, 2018!

Wie fühlt sich ein Tiertransporter für jemanden an, der keine Unterschiede macht zwischen wehrhaft und wehrlos? Wie fühlt es sich an, wenn Lebewesen neben dir abtransportiert werden um bestialisch getötet zu werden? Lebewesen, die kein Verbrechen begangen haben, die einzig und allein von jemand „Stärkerem“ als „weniger wert“ herabgesetzt wurden? Die aufgrund ihrer Geburt als tierische Lebewesen legalisiert misshandelt und getötet werden dürfen? Hässliche Worte, aber ist es denn anders?

Ich lebe das und ahne, wie es „damals“ gewesen sein muss. Mit Händen über dem Kopf hätten die Menschen schreien müssen: „Oh mein Gott steh‘ uns bei, das muss sofort aufhören!“ Stattdessen wurden die beseitigt, die aus der stillschweigenden Masse herausgetreten sind.

Heute ist zumindest das anders. Heute ist Widerstand in unseren Gefilden (Österreich) großteils (noch) straffrei. Warum also wagen es so wenige? Dass sie das Unrecht fühlen, davon gehe ich aus. Aber Widerstand zu üben scheint nach wie vor ein größerer Kraftakt zu sein als WiderstandskämpferInnen beständig klein zu halten. Wie viel Zeit hat es mich gekostet um 100% angstfrei zum Kampf gegen diese Gewalt öffentlich und privat zu stehen. Dass ich kein Mädchen mit Träumen bin, sondern dass dies eine Sache von Wichtigkeit ist, gesellschaftspolitisch relevant ist, wie es Dr. Claudia Paganini richtig ausgedrückt hat. Dass ich „Abtransport von Lebewesen“ von damals mit „Abtransport von Lebewesen“ heute gleich setze. Wo ist der Unterschied. Wo? Hast du mehr Angst vor dem Sterben als ein Lamm? Ich glaube nicht! Im Gegenteil! Wenn du in einem Laster fährst weißt du, die Fahrt wird enden. Das Lamm ist dauerhaft in Angst versetzt, zumal es zuvor auch schon kein wirkliches Leben hatte.

Das ist nicht in Ordnung. Das ist Krieg. Das ist Terror. Das ist Gewalt. Machtausübung. Stark gegen Schwach und Schwach verliert das Leben. Wir haben die Möglichkeit uns für Empathie zu entscheiden, entscheiden aber dagegen. Wir schimpfen über die Politik und begreifen unsere eigene politische Macht nicht. An der Kassa. Zwischenmenschlich. Täglich.

Ich danke Sophie Scholl, dass sie sich nicht angepasst hat. Auch ihrem Bruder Hans, dass beide das Unrecht durch ihre Stimmen sichtbar gemacht haben. Dass sie gegen die Gewalt aufgestanden sind. Dass sie mir so viele Jahre später Kraft und Inspiration schenken. Schwach sind die, die mit vermeintlicher Macht andere töten und quälen. Das Wort Macht ist immer zu hinterfragen.

 

„Allen Gewalten zum Trotz“ schrieb Sophies Bruder Hans am Tag ihrer Ermordung an die Gefängniswand.

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